Samstag, 15. März 2014

Vorschlag 1: Neues Schulfach

Ich schimpfe gerne und häufig über unser Bildungssystem. Zurecht, wie ich finde. Mit Schimpfen alleine ist aber niemandem geholfen, fehlen doch konkrete Verbesserungsvorschläge. Deshalb soll an dieser Stelle in unregelmäßigen Abständen auf einige Ideen eingegangen werden, die sich mir in den vergangenen zweieinhalb Jahren als Lehrer aufgedrängt haben. Vollkommen subjektiv und vielleicht auch an manchen Stellen schwer nachvollziehbar. Die Idee soll jeweils kurz vorgestellt werden, danach werden Vor- und Nachteile abgewägt.
Ein erster Vorschlag ist die Einführung eines neuen Schulfaches, der Allgemeinbildung.

Warum ein neues Schulfach?

Der Begriff Allgemeinbildung ist natürlich vage. Niemand kann sagen, was zur Allgemeinbildung gehört und was nicht, beziehungsweise hat jeder andere Vorstellungen zur Allgemeinbildung.
Fest steht aber in meinen Augen, dass diese Art der Bildung in der Schule zu kurz kommt. Zwar leisten alle Fächer ihren Beitrag dazu, manche mehr, manche weniger, aber dennoch zeigen sich nach Ende der Schullaufbahn bei vielen noch (zu) große Lücken.
Ein Grund dafür ist wie immer der häufige Stundenausfall aufgrund fehlender Lehrkräfte. Ein einfaches Beispiel: Der Lehrplan ist im Prinzip darauf ausgerichtet, dass sämtliche Stunden auch gehalten werden. Wird eine Lehrkraft krank, findet dieser Unterricht in der Regel aber nicht statt. Fehlt also beispielsweise eine Geschichtslehrkraft in einer neunten Klasse Realschule mehrere Wochen, muss gekürzt werden. Dramatisch. Verzichtet wird dann auf die auf den ersten Blick unwichtigeren Themen, wie z.B. die Unterschiede zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Der Fokus liegt auf den Höhepunkten dieser Jahrgangsstufe, den beiden Weltkriegen (dabei sei bemerkt, dass die neunte Klasse absolut vollgestopft ist mit wichtigen Themen, von den Anfängen der Industrialisierung bis zum Ende der Nazizeit).

Auch könnte es passieren, dass die Lehrkraft nicht mit allen Themen fertig wird. Darauf wird in der neuen Jahrgangsstufe häufig nicht eingegangen, denn jeder ist darauf fixiert, den Stoff seines Jahres unterzubringen.
Gleiches gilt selbstverständlich auch für andere Fächer. Nehmen wir PCB (Physik, Chemie, Biologie) aus der Mittelschule, auch da sind die Lehrpläne vollgestopft und dulden keinen Unterrichtsausfall. Wegfallen könnte hier z.B. die Funktionsweise von Motoren oder auch die Gefahren von Kernenergie. Sicherlich keine wünschenswerte Option

Umsetzung

Nicht leicht gestaltet sich die Umsetzung der Einführung eines neuen Schulfaches. Zum einen fehlt es an Zeit, zum anderen an Personal. Denn sind wir mal ehrlich, zu viele Lehrer sind nur auf ihre Fächer spezialisiert, ein wesentlicher Nachteil der aktuellen Ausbildung im Studium. Für eine kurzfristige Lösung müsste man also mit einer Reihe von Fortbildungen und Zusatzausbildungen arbeiten, auf lange Sicht auch das Studium umstellen.
Es kann ebenso keine Lösung zu sein, Fächer zu streichen, um Platz für ein neues Fach zu schaffen, also würde sich die Stundenzahl erhöhen, wahrscheinlich am Nachmittag. Die meisten Schüler sind dies mittlerweile ohnehin gewohnt, sodass es keine absolute Neuerung für sie sein dürfte. Vor allem deshalb, weil natürlich nicht alle Jahrgangsstufen betroffen wären. Meines Erachtens wären vor allem die letzten beiden Schuljahre von Bedeutung, weshalb die Veränderungen im Stundenplan nur minimal wären.
Am schwierigsten gestaltet sich der Inhalt des neuen Schulfaches, da Allgemeinbildung wie bereits erwähnt ein sehr vager und subjektiver Begriff ist. In meinen Augen wäre ein breite Bandbreite an Inhalten von Bedeutung, querbeet durch alle Fächer und auch darüber hinausgehend.
Ein paar Beispiele: Das Fach Musik lehrt vieles, aber die Musik der jüngeren Vergangenheit kommt zu kurz. Warum also nicht auf Entwicklung der Musik in den letzten Jahrzehnten eingehen. Im Fach Deutsch wird viel Wert auf die Textarbeit gelegt, warum aber nicht mal auf ein paar Klassiker der Literatur eingehen? Sozialkunde kommt in meinen Augen auch viel zu kurz. Wenn Schüler später politisch mitreden wollen, reicht ein Jahr (wie in der Realschule der Fall) einfach nicht aus. Viele Inhalte bleiben auf der Strecke.
Damit ist auch klar, dass eine enge Zusammenarbeit mit den anderen Fächern erfolgen muss, ein wesentliches Ziel aller Lehrpläne (Stichwort fächerübergreifender Unterricht). Der Lehrplan sollte dementsprechend Richtlinien vorgeben, die genaue Umsetzung sollte bei der Lehrkraft liegen, die damit auch auf Interessen der Schüler eingehen kann.

Vor- und Nachteile

Natürlich muss man sagen, dass ein neues Schulfach auch wieder eine höhere Belastung für die Schüler darstellen würde. Ohnehin ist die Belastung der meisten Schüler sehr hoch, sodass dieser Punkt sehr gewichtig erscheint. Abgeschwächt wird er aber dadurch, dass nicht alle Schuljahre davon betroffen wären und dass man durch den vorhin angesprochenen fächerübergreifenden Unterricht an anderer Stelle etwas sparen könnte, z.B. an einigen Hausaufgaben.
Auch die Ausbildung der Lehrkräfte erscheint problematisch, sind doch die Inhalte verschieden. Sichergestellt sollte hier auf alle Fälle, dass die Lehrer auch wirklich über die entsprechende, eigentlich selbstverständliche Allgemeinbildung verfügen.
Die Vorteile sind jedoch in meinen Augen enorm. Eine gute Allgemeinbildung überzeugt in diversen Lebenslagen. Sei es in Einstellungstests und -gesprächen oder bei Diskussionen mit Freunden. Natürlich werden Kritiker den Zweck von Allgemeinwissen generell anzweifeln, aber das entbehrt meines Erachtens jedweder Grundlage.
Fazit: Schön und sinnvoll wäre es, aber es steht zu befürchten, dass ich keine Umsetzung mehr erleben werden.

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